Logo dieheroldfliri.at

Pressestimmen "Ins Weite schrumpfen"


Logo

"Mitten im Überfluss verkümmern die Seelen" ist der Slogan, der mit dem Theaterstück "Ins Weite schrumpfen" von Katja Hensel einhergeht. Dass es dennoch nicht zur Predigt verkommt, dafür sorgt die junge Theatergruppe "dieheroldfliri.at", die Barbara Herold, zuvor Regisseurin am Vorarlberger Landestheater, und Maria Fliri, Schauspielerin aus Vorarlberg mit internationalen Engagements, vor einiger Zeit ins Leben gerufen haben. Nun gastiert man im Bregenzer Theater Kosmos.

Der Text ist zwar ein Hammer, aber dafür ein kompaktes Bühnenstück mit etwas vielen Handlungssträngen und Sprüngen versehen und die Essenz bleibt letztendlich lapidar. Wir leben im Überfluss, unsere Städte werden größer, doch etwas in uns verkümmert. Zumindest stellen das die fest, die sonst kaum existenzielle Nöte haben und sich an einen gehobenen Kommunikationsstil mit Satzfloskeln klammern, als gelte es damit das Überleben der Intellektuellen zu sichern.

Dem Text über Menschen, die sich im urbanen Raum verlieren, Bühnentauglichkeit einzuhauchen, ist ein schweres Unterfangen. Regisseurin Barbara Herold schafft es, indem sie ihm gemeinsam mit ihrem kleinen Ensemble eine kompakte Melodie angedeihen lässt. Peter Bocek schert zwar noch ein bis zweimal hörbar aus, Ingrid Lang, Maria Fliri und Martin Schwanda machen in jeweils mehreren Rollen nicht nur deutlich, dass unter der ach so schönen Oberfläche nicht nur Leere klafft, sondern dass sie auffüllbar wäre. Ursula N. Müllers augenzwinkernde Ausstattung tut das Übrige dazu. Viel Applaus.

Christa Dietrich, Vorarlberger Nachrichten, 10.9.2011


Logo

Die Dramatikerin Katja Hensel lotet in ihrem Stück menschliche Defizite aus. Seelische und körperliche. Die innere Leere der Menschen hat ihre sichtbaren Parallelen im Phänomen der schrumpfenden Städte. Das sind urbane Räume, die in demographischer wie ökonomischer Hinsicht an den an den Folgen von Deindustrialisierung, Suburbanisierung oder Postsozialismus leiden. Ganze Wohnviertel stehen leer. So der theoretische Hintergrund.

Diese Entwicklung interessiert den Journalisten Robert (Martin Schwanda), der darüber schreibt. Schon in der ersten Szene wird das Schrumpfen reflektiert, das Wort wird zum wiederkehrenden Leitmotiv, die Reduktion zum musikalischen Thema, das sich bis zum Ende, wenn sich Robert in die vermeintliche Idylle eines Dorfs zurückgezogen hat, durchzieht. Denn: "Dieses Dorf wird immer kleiner. Jede Woche stirbt wer."

Doch bis zu dieser Schluss-Sequenz ist viel Text zu bewältigen. Ein Text, der durch seinen Sprachwitz auch immer wieder für Lacher sorgt. Etwa in der komischen Szene, wenn Robert sein vermeintliches körperliches Defizit - seinen Bauch - im Fitness-Studio schrumpfen lassen will. Und Vivi (Ingrid Lang), deren Leben sich auf das Studio reduziert, ihm dabei mit bunten Markierungs-Stiften behilflich sein möchte. Es sind viele (verletzende) Situationen durchzuleben. In der ersten Szene, im Gespräch zwischen Robert und Hans-Maria (Peter Bocek) ist es etwa die Verletzung der Würde der Frau, denn die Assistentin (Ingrid Lang) wird hier als dienendes Weibchen dargestellt, das auf Fingerschnippen gehorcht.

Unter der Regie von Barbara Herold entsteht ein Ringen um Nähe und Selbstbestimmtheit, das in den diversen Szenen von den Schauspielern überzeugend durchexerziert wird. Der Verlust von etwas ganz Wesentlichem wird herausgearbeitet: von menschlicher Nähe. Roberts Freundin Anka (Maria Fliri) hat eine Affäre mit dem russischen Gaststudenten Igor (Peter Bocek). Kein Zufall, dass als wiederkehrender Musiktitel "Don't go" von Yazoo (Anm.: von Nouvelle Vague) gewählt wird. Selbstbestimmtheit und Reduktion auf sich selbst:

Allein, leer, vorbei.

Daniele (Ingrid Lang) ist allein bei ihrer Entscheidung, ein Kind zu bekommen. Der Augenarzt Klaas (Peter Bocek) ist allein mit seinem Faible für den richtigen Brennpunkt. Herr Montag (Peter Bocek) und Frau Montag (Ingrid Lang) tauschen die leerstehende Hochhaussiedlung mit der Einsamkeit einer Shopping Mall. Und reden aneinander vorbei. Die Lektionen sind schmerzhaft. Aber man weiß auch: "Identität entsteht durch Brüche und Narben." Das Wechseln der Szenen wird gewollt sichtbar durch das Verrücken der Requisiten durch die Schauspieler, von denen Peter Bocek und Ingrid Lang in Mehrfachrollen auftreten (Ausstattung Ursula N. Müller). Sie agieren vor den die Thematik des Stückes illustrierenden Projektionen (Marc Altmann) in einer vermeintlich trostlosen Welt: "Du willst Trost und bekommst die Apokalypse." Aber das Ende gibt Anlass zur Hoffnung, wenn sich die Köpfe von Robert und Anka an der Stirn leicht berühren. Oder auch nicht. Denn: "Jetzt fängt doch alles erst an." Enthusiastischer Applaus für das ganze Ensemble.

Peter Bader, Neue Vorarlberger Tageszeitung, 10.9.2011


Logo

Im KosmosTheater werden verdorrende Großstadtpflanzen aufgepäppelt: Barbara Herold inszeniert Katja Hensels "Ins Weite schrumpfen". "Jeder fliegt heute zum Shoppen nach London und zum Kiffen nach Kairo. Die Welt schrumpft zusammen. Europa wird immer vertrauter, aber die Körper, die da fliegen, kennen sich selbst nicht mehr." Katja Hensels städtebaulich-soziologisch unterminiertes Stück "Ins Weite schrumpfen" klingt wie ein gedankenschwerer Sermon nie erwachsen gewordener Urbanisten.

Robert, Anka und Co. sind Stadtmenschen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Der Verlust von Heimeligkeit und das daraus erwachsende Leeregefühl gegenüber unbegrenzten Möglichkeiten - das alles steht den Schauspielern in Barbara Herolds Inszenierung ins Gesicht geschrieben. Herold päppelt hier verdorrende Großstadtpflanzen auf, die auf unterschiedliche Weise unter dem Wachstum und der damit verbundenen Beschleunigung ihres Lebens leiden.

Robert (Martin Schwanda) ist ein schlecht gekleideter Journalist, den die Hemden zwicken und den es in die ruhigen Vorstadtwüsten hinauszieht. Er steht prototypisch für seine Freunde (Maria Fliri, Peter Bocek, Ingrid Lang). Dass er an einem "Brechkraftfehler" (Fehlsichtigkeit) leidet, ist ein gesellschaftlich zu denkendes Symptom, für das Marc Altmann wunderschöne Visuals kreiert hat. Seine großformatigen Bildanimationen lassen Häusermodelle in Riesenpupillen versinken. Sie geben in variablen Mensch-Gebäude-Anordnungen der subjektiven Befindlichkeit des modernen Yuppies Ausdruck, im Fitnessstudio oder in den Warenschluchten eines Supermarkts. Beides lässt Bühnenbildnerin Ursula N. Müller jeweils im Neuarrangement von Büromeublage entstehen. Drehstühle und Rollcontainer drängen sich in jede Situation - ein durchaus der Realität entsprechender Clou. Ein Fall für Architekten und Glücksentwickler.

Margarete Affenzeller, Der Standard, 22.10.2010


Logo

Barbara Herolds Regiearbeit "Ins Weite schrumpfen" von Katja Hensel ist ein großer Theaterabend als Augen-, Ohren und Nachdenkschmaus im Kosmos Theater. Ein Abend, der uns mit dem Gedanken versöhnt, dass die Anzahl unserer grauen Zellen ja auch permanent schrumpft. Hingehen und ansehen, denn die Produktion ist nur noch bis 23. Oktober 2010 zu sehen.

Verkümmern unsere Seelen im Überfluss? Geht das Wesentliche durch Tempo und Überflutung verloren? Das sind nur einige der Fragen, die der Text von Katja Hensel aufwirft. Und sie tut das mit Wortwitz und (leise, subtilem) Humor. Die Verkümmerung unserer Innenwelt, die wir durch unseren beschleunigten Alltag zu überwinden versuchen, setzt Hensel, die in Hamburg geboren wurde und über das Schauspiel zum Schreiben kam, mit dem Schrumpfen der Städte in unserem Mitteleuropa gleich. Eine pessimistische Aussage? Mitnichten, denn Hensel sieht in dem schrumpfenden Verlust die Chance auf einen Neubeginn. Dieses Schrumpfen bietet die Möglichkeit einer Rückbesinnung auf das eigentliche durch die 'Entschleunigung' des Lebens. Die Leerräume begreift sie als kreatives Potenzial.

Stammbuch-Satz für alle erfolgreichen politischen (Auf)Hetzer

Städteplaner haben sich in den letzten Jahren auch dazu entschlossen, die Brache zuzulassen und sie nicht einem bestimmten Zweck zu widmen. Gerade in Wien sind einige 'Städtedschungel' entstanden. Der Abend hat aber noch eine sehr aktuelle politische Aussage: die Identität ist nicht an den äußeren Raum gebunden, sondern viel mehr an unsere Identität, an unsere Innenwelt mit all ihren Erfahrungen und Erinnerungen. Ein Satz, den sich alle momentan erfolgreichen politischen (Auf)Hetzer ins Stammbuch schreiben sollten. Wie sind aber alle diese Ideen in ein Theaterstück verarbeitet worden? Robert, der als Reiseredakteur arbeitet, hat ein Problem mit der Schnelllebigkeit unserer Zeit. Er widmet sich einem neuen Thema, nämlich der urbanen Wüste. Seine Freundin Anka plant ihre Hochzeit und will alle seine alten Kleidungsstücke entsorgen. Tatsächlich heiratet sie auch, aber den Austauschstudenten Igor, dem sie damit ein besseres Leben bescheren möchte.

Neubeginn in der stetig schrumpfenden eigenen Wüste

Robert begibt sich auf eine äußere Reise, die in sein Inneres führt. Dabei trifft er auf Vivi, die im Fitnessstudio arbeitet und die Stadt zum Kotzen findet, auf Herrn und Frau Montag, die in einer verlassenen Siedlung am Stadtrand leben, um dann in ein Shopping Center zu ziehen, auf seinen Bruder Klaas, der Robert aufzeigt, wie asozial er sich seiner Familie gegenüber verhält und letztlich auf Daniele, die von ihm ein Kind erwartet und die sich gegen eine Beziehung, aber für das Baby entscheidet. Zuletzt bleibt Robert in seiner eigenen Wüste, einem Dorf, das stetig schrumpft, umgeben von wilden Pflanzen und in dem er einen Neubeginn sieht.

Räumliche Brache vs. Dynamik des Alltags

Barbara Herold, die unter anderem am Münchner Volkstheater, am Landestheater für Vorarlberg und am Westfälischen Landestheater ihre Erfolge feierte, führt ein großartiges Schauspielensemble klar in der Erschaffung verschiedener Charaktere und sprachlich exakt, vertraut der sprachlichen Qualität des Textes, der in keiner Sekunde etwas Artifizielles hat. Geschickt variiert Herold das Tempo, lässt Raum, dem Gesagten nachzuspüren in dieser Inszenierung, die auch optisch glänzen kann. Zu verdanken ist dies Ursula N. Müllers Bühnenbild, das räumliche Brache genauso darstellt wie unsere Dynamik des Alltags und das alles durch den Einsatz von rollbarem Mobiliar, das stylisch nüchtern anmutet. Die witzigen Projektionen und animierten Visuals von Marc Altmann unterstützen die Optik dieser Produktion noch. Ein großes Lob gilt auch der Lichtsetzung, die unaufdringlich die verschiedenen Räumlichkeiten unterstützt.

Ein Held der leisen Töne

Barbara Herold kann bei den Schauspielern aus dem Vollen schöpfen: Martin Schwanda ist als Robert ein Held der leisen Töne, der seine innere resignative Haltung perfekt nach Außen kehren kann. Maria Fliri variiert als seine Freundin Anka kongenial die Emotionen und Stimmungen in einer atemberaubenden Akkuratesse und Präzision. Peter Bocek, der gleich in vier verschiedenen Rollen zu sehen ist, läuft in keiner Sekunde Gefahr, die Charakterzeichnung zu übertreiben und schafft es nur durch Haltungsänderungen nuancierte Figuren zu erschaffen. Ingrid Lang, die ebenfalls vier Figuren kreiiert, tut dies ebenfalls nie auf Kosten einer inneren Vielschichtigkeit der Charaktere. Kurzum: Das gesamte Ensemble lässt keine Wünsche offen.

Marius Schiener, kulturwoche.at


Logo

Wenn Überfluss die Nähe frisst: Das Kosmos Theater zeigte am Dienstag in österreichischer Erstaufführung Katja Hensels jüngstes Stück "Ins Weite schrumpfen". Episodenhaft und mit Wortwitz wird von der Sinnsuche des Journalisten Robert berichtet, der den urbanen Raum schrumpfen sieht. Im materiellen Überfluss werden die zwischenmenschlichen Räume zu Wüsten, zwischen den Figuren will keine Nähe entstehen. Die Figuren werden von vier Akteuren gespielt, wobei Peter Bocek und Ingrid Lang in jeweils vier Rollen allen Facettenreichtum demonstrieren und mit Martin Schwanda und Maria Fliri die Räume zwischen vielseitig einsetzbaren Büromöbeln erkunden.

Jede der Figuren möchte auf ihre persönliche Weise die Leere ins sich selbst füllen: Durch Arbeit, neue Projekte, Fitnesswahn, Kinder oder einer übertriebenen Form von Nächstenliebe, die in einer Scheinehe endet. Doch die Versuche, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, sind vergeblich. Ausgeglichenheit und Glück findet schließlich nur Robert. Er verlagert seinen persönlichen Raum in ein kleines Dorf.

Katja Hensel zeigt in ihrem Stück auf kluge Weise, dass es nicht zielführend ist, in rasender Geschwindigkeit dem Sinn des Lebens hinterherzujagen. Die Flucht ins Grüne ist zwar keine originelle Lösung, aber eine anregende Alternative zum schrumpfenden städtischen Raum.

Melanie Deutsch, Wiener Zeitung, 14.10.2010


Ins Weite schrumpfen Bilder Video 1 Video 2 Presse Termine



dieheroldfliri.at · Gallmiststraße 5 · 6800 Feldkirch · info@dieheroldfliri.at